Das Ostwestfalen-Derby war nichts für schwache Nerven. Erst 15 Sekunden vor dem Ende drehte Malik Brown mit einem Lauf in die Endzone zur 2-Point-Conversion das Spiel zu einem hauchdünnen 29:28-Sieg – im zweiten Anlauf, nachdem man sich schon mit der Niederlage abgefunden hatte. Da anschließend die Assindia Cardinals bei den Troisdorf Jets mit 14:19 unterlagen, steht unser Team nach zweieinhalb Spieltagen als einziges ohne Niederlage auf Platz eins der Regionalliga NRW.
Der Berichterstatter muss zugeben, dass er angesichts der recht kurzen, aber höchst erfolgreichen Vorgeschichte des Klubs von der Weser insgeheim schlimme Befürchtungen hatte. Und der Start der Partie ließ auch nichts Gutes erahnen, denn der erste Bulldogs-Drive blieb ohne Punkte.
Die Offense der Hausherren wurde über das ganze Spiel vom Routinier und Offensiv Coordinator Zach Cavanaugh geführt. Der brachte mit einem Pass von der Mittellinie auf Eric Renz, den dieser mit Leichtigkeit über mehr als 20 Yards in die Endzone weitertragen konnte, die ersten Punkte auf das riesige Multimedia-Scoreboard.
Doch dann lief die Angriffs-Maschinerie der Bielefelder. Die O-Line verschaffte QB Malik Brown meist viel Zeit, um das Feld zu scannen, und wenn sich keine Anspielstation zeigte, lief er halt selbst. Das wurde ihm zwar schwerer gemacht als in seinen ersten drei offiziellen Spielen in Deutschland, und er musste so manches Mal seine ganze Physis aufbringen, um Tackles zu brechen, doch meistens gelangen ihm dadurch wichtige Raumgewinne und damit First Downs oder mehr. So war es auch nur konsequent, dass er selbst den 7:7-Ausgleich mit einem Acht-Yards-Lauf erzielte. Daniel Korbmacher vertrat Andreas Schilling als Kicker, und er blieb bei Extrapunkten genauso fehlerfrei wie sein Pendant, Tobias Pauls.
Ein verunglückter Punt von Eric Renz ließ unsere Offense in guter Position erneut aufs Feld kommen, und ein Pass auf Marco Domio brachte unser Team erstmals in Führung. Die Wolves spielten einen vierten Versuch aus und kamen dabei wieder mit einem Pass auf Eric Renz zum Ausgleich. Aber noch vor der Halbzeitpause lief Malik Brown wieder selbst in die Endzone, diesmal über 40 Yards, und so stand es zur Pause 14:21.
Das dritte Viertel blieb ohne Punkte, weil auf unserer Seite Malik Brown nach einem Umknicken gehandicapt war und ein- oder zweimal gesackt werden konnte, bei den Wölfen aber Eric Renz mit Gehirnerschütterung ausschied. Er wurde zwar als Receiver recht erfolgreich vom Brasilianer Bernardo Horevitch vertreten, und Jordan McKenzie glänzte mit einigen Läufen, doch in den entscheidenden Momenten war unsere Defense hellwach; unter anderem fing sie einen Pass in die Endzone ab.
Mehrere aussichtsreiche Plays der Weserstädter, darunter zwei vermeintliche Touchdowns, wurden durch eigene Regelverstöße zunichtegemacht, doch Strafen waren auch gegen unser Team keine Seltenheit. Insgesamt aber hatten die Mindener nun mehr vom Spiel. So kamen sie im letzten Viertel nach drei Minuten durch einen Pass auf Benjamin Freese zum Ausgleich (wieder in einem vierten Versuch) und zweieinhalb Minuten vor Schluss durch einen Fünf-Yards-Lauf von Zach Cavanaugh zur 28:21-Führung. Die Uhr tickte nun gegen Bielefeld, und die Zuschauer waren bereits in Feierstimmung.
Doch die Bulldogs gaben nicht auf. Malik Brown war wieder da. Bei einem erfolgreichen langen Pass bei viertem und zehn von der eigenen 35, der sowieso bereits 27 Yards und damit ein First Down gebracht hatte, kamen wegen eines „Roughing the Passer“ von Phil Gamble noch einmal 15 Yards hinzu, und es blieben noch 52 Sekunden. Aber nach einer Mindener Auszeit gab es zum zweiten Mal eine längere Unterbrechung für eine Reparatur der Kette, so dass die Spannung sich ins Unermessliche steigerte. Malik Brown lief anschließend über die rechte Seite nach sieben Yards ins Aus. Dann wieder ein Pass nach links, wo David Emeh den Ball zum „First and Goal“ fangen konnte. Danach folgte eine etwas unübersichtliche Situation, mit einem Fumble beim Snap. Wir hatten Gläck im Unglick, waren nur an die 11-Yard-Linie zurückgeworfen. Für den Mindener Kenneth Patten jr. aber hatte dieses Play schwerwiegende Folgen: Er zog sich eine komplexe Sprunggelenksfraktur zu und musste mit einer Rolltrage abtransportiert werden – natürlich ein Schock für sein Team, und eine fünfminütige Unterbrechung für alle.
Als es endlich weitergeht, wirft Malik einen Pass in die Endzone, wo Daniel Korbmacher bereits wartet – Touchdown, 27:28-Anschluss, wie eingangs gesagt, bei 15 Sekunden Restspielzeit – die heimischen Fans verstummen endgültig. Würden Daniels Nerven auch für den Ausgleich per PAT halten?
Aber nein, was ist das? Referee Stefan Pielhau gibt seinen Kollegen das Zeichen, dass sie sich auf eine Two-Point-Conversion einstellen und sich dafür positionieren sollen! Bert Smith geht also tatsächlich aufs Ganze und will durch diese schwierigere und damit riskantere Variante Alles oder Nichts – den Sieg oder eine Niederlage. „Sind die denn des Wahnsinns?“, fragt sich Bulldogs-Radio-Reporter Philip Winterholer auf der Tribüne! – Malik Brown scrambelt wieder einmal, um dann auf der rechten Seite unter Bedrängnis einen Pass in die Endzone zu spielen, der aber abgeblockt wird. Das war’s! Die 1.500 Fans jubeln. Wir Bulldogs-Anhänger finden uns mit diesem traurigen Ende ab, fragen uns aber weiterhin, wieso solch ein Risiko eingegangen wurde …
Und plötzlich verkündet der Whitehead, dass der Try wiederholt wird; natürlich nun mit halbierter Distanz, also von der 1-Yard-Linie. Den Grund hatten wir Radio-Reporter nicht verstanden, nachher erfuhren wir ihn, und auch in der Stream-Aufzeichnung ist es nachzuhören: „Auswechselfehler, zwölf Mann in der Defense.“ Die Wolves-Fans um uns herum sind erneutgeschockt; sie waren auch zuvor bereits mit einigen Flaggen unzufrieden gewesen. Bert bleibt bei seiner Entscheidung: Auch in der Wiederholung soll auf den Sieg ohne Verlängerung gegangen werden. Und diesmal geht Malik über die linke Seite, wo er eine Lücke findet und in die Endzone läuft! Ein-Punkt-Führung!
Natürlich waren immer noch 15 Sekunden zu spielen. Der Kickoff-Return fraß davon vier, und beim zweiten Versuch der Wolves gab es sogar noch einmal einen Fumble, der von unserem Team recovered werden konnte – aber damit war das Spiel dann wirklich zuende.
Was bedeutet das nun? Eigentlich noch gar nichts! Schaut man sich die bisher gespielten Begegnungen an, scheint es so, als könnten die beiden ostwestfälischen Teams den sechs anderen überlegen sein. Sollte sich das bewahrheiten und sich keiner von beiden einen Ausrutscher erlauben, liefe alles auf einen Showdown am 6. September auf der Rußheide hinaus, wo dann sicherlich eine große Kulisse zu erwarten ist. Da es nur eine 1-Punkt-Differenz gegeben hat, würde den Wolves fast jeder Sieg genügen. Aber sie würden ihn auf jeden Fall benötigen, selbst wenn sich unsere Mannschaft zwischenzeitlich auch eine Niederlage geleistet haben sollte.
Die nächste Aufgabe wartet in zwei Wochen auf unser Team, wenn die Solingen Paladins in der Jahnkampfbahn, dem Walder Stadion zum Tanz bitten. Der Kickoff ist dort um 16 Uhr, unser Radio wird voraussichtlich wieder dabeisein.
(rlu)